Seidenbau in Zernikow
Der Seidenbau in Zernikow geht auf Michael Gabriel Fredersdoff, den Geheimen Kämmerer Friedrich II, zurück. „Fredersdorff nahm sich“, so lesen wir bei Fontane, „mit Vorliebe des Seidenbaus an. Gärten und Wege wurden mit Maulbeerbäumen bepflanzt (schon 1747 standen derer achttausend) und das Jahr darauf hatte er zum ersten Male einen Reinertrag aus der gehaspelten Seide…“
Neben den Maulbeerbäumen, deren Blätter als Futter für die Seidenraupen benötigt werden, zeugt auch das Haus Dorfstraße Nr. 18 von dem einst in Zernikow betriebenen Seidenbau. Dieses Gebäude war ursprünglich für die Zucht der Seidenraupen bzw. für die Gewinnung der Seide errichtet worden. Leider ist nicht überliefert, wie lange in Zernikow Seidenraupen gezüchtet wurden. Sicher ist nur, dass bereits im Jahre 1777 das Seidenhaus von Fredersdorffs Witwe, Frau von Labes, in ein „Hospital“ für Arme, Alte und Arbeitsunfähige umgewidmet wurde. Die Bezeichnung „Hospital“ für das ehemalige Seidenhaus hat sich bis heute erhalten.
Die empfindlichen Seidenraupen werden in geschlossenen Räumen auf Regalen gehalten. Das Futter muss mehrmals täglich frisch herangeschafft werden. Schon nach etwa 5 Wochen, in denen die Seidenraupen Unmengen an Maulbeerblättern vertilgt haben, sind sie ausgewachsen und beginnen sich einzuspinnen. Der Kokon, den die Raupe spinnt, um sich darin zu verpuppen und sich dann in einen Schmetterling zu verwandeln, besteht praktisch aus einem einzigen Faden von etwa 3000 bis 4000 m Länge. Doch nur wenige Schmetterlinge dürfen schlüpfen und sich vermehren. Um den begehrten Seidenfaden zu erhalten, müssen die Puppen noch im Kokon durch Hitze abgetötet werden, denn nur von unbeschädigten Kokons kann der hauchfeine Seidenfaden abgehaspelt werden.
Ausstellung: „Vom Maulbeerbaum zur Seide – Seidenbau in Brandenburg“
Auf Gut Zernikow ist ganzjährig eine kleine Ausstellung unter dem Titel „Vom Maulbeerbaum zur Seide – Seidenbau in Brandenburg“ zu sehen. Hier erfährt der Besucher Wissenswertes über den Seidenbau, wie er Mitte des 18. Jahrhunderts von dem Geheimen Kämmerer Friedrich II., Michael Gabriel Fredersdorff, in Zernikow betrieben wurde. Die Ausstellung möchte aber nicht nur auf die Geschichte des Seidenbaus in Brandenburg, sondern insbesondere auch die Faszination der Seide als Naturprodukt und die enge Beziehung von Maulbeerbaum, Seidenraupe und Seide darstellen. So ist auch Einiges über die Herkunft des Maulbeerbaumes und des Maulbeerseidenspinners Bombyx mori sowie über den Weg, wie das Geheimnis der Seidenherstellung von China nach Europa gelangte, zu erfahren. Höhepunkt der kleinen Exposition sind lebende Seidenraupen, die in den Sommermonaten (Juni-September) beim Vertilgen großer Mengen Maulbeerblätter und beim Spinnen ihrer filigranen Seiden-Kokons zu bestaunen sind. Der Maulbeer-Seidenspinner und seine Raupen werden von Mitgliedern des Vereins ausschließlich zu Informationszwecken gezüchtet. Zu besonderen Anlässen wie dem jährlichen Maulbeerfest wird auch Seide gehaspelt, um den langen Weg vom Maulbeerbaum über die Seidenraupe und den Seidenkokon bis zum Seidentuch zu illustrieren.
Mit der Ausstellung „Vom Maulbeerbaum zur Seide – Seidenbau in Brandenburg“ möchten wir ein Stück Geschichte vor dem Vergessen bewahren und aufmerksam machen auf die wundervolle Arbeit der Seidenraupen, die sich der Mensch zunutze gemacht hat. Wir freuen und auf Ihren Besuch und wünschen Ihnen viel Freude und interessante Einblicke in eine eigentümliche Beziehung zwischen Mensch und Insekt!
Maulbeerfeste 2000 bis heute
Die Zernikower Maulbeerallee existierte 2000 bereits 250 Jahre, als die Idee geboren wurde, ein öffentliches Maulbeerfest der Initiative Zernikow e.V., in Zusammenarbeit mit der AQUA Zehdenick, zu veranstalten. Dabei sollte vor allem auf die Besonderheit der Zernikower Maulbeerallee hingewiesen und alles um den Maulbeerbaum herum gezeigt werden, vor allem die Seide, das Produkt der Seidenraupe und die Maulbeerfrucht.
Ein Ablaufprogramm wurde erarbeitet. Vorträge, Filme, Lesungen, Ausstellungen, Führungen und Kutschfahrten angeboten. Verschiedene Marktbetreiber wurden eingeladen, die vor allem altes Handwerk vorstellten. Aber auch an das leibliche Wohl wurden mit Köstlichkeiten der Maulbeerfrucht, Kaffee, Kuchen und Getränke gedacht.
Unser „Erstes Zernikower Maulbeerfest“ kündigten wir mit Aushängen, Flyern und Zeitungsanzeigen an. Die Vorbereitungen für das Fest waren ein regelrechter Kraftakt. Herangeschafft werden mussten Marktstände, Tische und Bänke, die Wasser- und Stromversorgung wurde angelegt. Etliches musste aus Privathaushalten mitgebracht werden: Geschirr, Bestecke, Töpfe, Gaskocher u.v.a. Bereits vor 14 Uhr kamen die ersten Besucher.
An unserem Stand der Initiative Zernikow gab es neben Maulbeergelee sowie getrockneten Maulbeeren auch kleine Maulbeerbäume zu kaufen. Aber auch Bücher, Broschüren, Flyer u.v.a. über Zernikow und Umgebung bereicherten unser Angebot.
Als gegen 18 Uhr die letzten Gäste das Gutsgelände verlassen hatten, resümierten wir, dass unser erstes Zernikower Maulbeerfest ein Erfolg war, das dann auch in der Montagsausgabe der Märkischen Allgemeinen Zeitung bestätigt wurde.
Der Erfolg des ersten Maulbeerfestes war uns Ansporn, es auch in den folgenden Jahren zu veranstalten. Bereits seit dem zweiten Maulbeerfest 2002 können lebende Seidenraupen und deren Entwicklungsphasen bis zum Seidenspinner auf jedem Maulbeerfest bewundert werden. Dank der AQUA Zehdenick haben sich durch die Sanierung des Schafstalles die Voraussetzungen zur Durchführung unserer Maulbeerfeste wesentlich verbessert.
Das jährlich stattfindende Maulbeerfest ist eine Mischung aus Unterhaltung und Wissensvermittlung, in seiner Art einzigartig und hat inzwischen sogar überregionalen Bekanntheitsgrad erreicht.
Unser Fest wird gern angenommen, ist stets gut besucht und hat sich einen festen Platz im regionalen kulturellen Leben gesichert.
Günter Richter
Die Maulbeerbaumallee
250 Jahre Maulbeerbaumallee in Zernikow
Michael Gabriel Fredersdorff, der Geheime Kämmerer von Friedrich II, erhielt im Jahr 1740 das Gut Zernikow für seine treuen Dienste geschenkt. Unter König Friedrich II wurde der Seidenbau in ganz Preußen eingeführt und Fredersdorff etablierte diesen auch in Zernikow. Schon 1747 gab es eine Plantage mit mehr als 8000 Maulbeerbäumen. Seidenraupen, die sich ausschließlich von den Blättern des Weißen Maulbeerbaumes (Morus alba) ernähren, wurden gezüchtet und die Seide der Kokons gehaspelt. Die Maulbeerbaumallee entlang der Straße nach Burow, wo heute noch 65 alte und über 100 junge Maulbeerbäume zu bewundern sind, wurde im Jahr 1751 gepflanzt.
Die Initiative Zernikow e.V. bemüht sich um den Erhalt und die Pflege dieser einzigartigen Allee. Im Herbst 1999 wurden 15 durch Spenden finanzierte Maulbeerbäume gepflanzt, um die Lücken der Allee zu schließen. Im Auftrag des Landkreises Oberhavel folgten 2002 weitere 29 Bäume und 2007 89 Bäume. Die Initiative Zernikow e.V. möchte damit sowohl einen Beitrag zum Erhalt dieses Stückes preußischer Kulturgeschichte leisten als auch zur Förderung dieser interessanten Baumart beitragen.